W A S B L E I B T ?
I N S T A L L A T I O N : V I D E O | F O T O G R A F I E | T E X T
2017 - jetzt
5 Kurzfilme:
Reproduktion
Stilles Gespräch
- (ohne Titel)
memoria
Was war, was nicht mehr ist
Fotografie
Text
KONZEPT
Was bleibt?
Wenn ein Mensch geht, was hinterlässt er dann?
Was bewahren wir von ihm auf?
Gegenstände?
Ein Haus, eine Wohnung - ein Zuhause?
Briefe, Fotografien, Filme?
Erinnerungen?
Gefühle, Gedanken und geteilte Momente, die kurz aufblitzen, um dann wieder zu verschwinden?
Die Arbeit „Was bleibt?“ umfasst eine Eigenstudie, die mit dem Tod der Großmutter begann.
Drei Jahre und darüber hinaus beobachte ich mich selbst, kehre immer wieder an den Ort zurück, den die Großmutter bewohnte und belebte und der für mich der Zufluchtsort wird, dem ich die Fragen stellen kann, die ich meiner Großmutter nicht mehr stellen konnte.
Es ist ein Austausch über den Tod hinweg, ein Austausch mit fiktiven Personen und letztlich mit mir selbst.
Dieser Austausch wird zum Sinnbild für weitere Ansätze und Arbeiten, die der Gegenwart und Vergangenheit entwischen, zu Träumereien anmuten und mich selbst, meine Geschichte und Person suchen und infrage stellen. In den Prozess der Verarbeitung fließt die Beobachtung der Veränderung ein: Was geschieht mit der Umgebung, die ein Mensch hinterlässt und auch mit dem Tod immer mehr verlässt? Sehen wir die verstorbene Person noch immer dort oder tragen wir sie in Gedanken weiter?
Und: Was ist, wenn der tote Ort wieder belebt wird mit neuem Geist?
Was tut die Veränderung des Ortes mit unseren Erinnerungen und mit all den Erinnerungsstücken:
Fotografien, Videoaufnahmen, Gegenständen?
Möchten wir sie bewahren, hüten, aufheben oder verlieren sie an Wert je mehr die Erinnerung verblasst?
Es sind Fragen, die ich mir immer wieder selbst stelle und einbeziehe in meine Arbeit.
Die Antworten auf die Fragen sind meist nur Ideen, Bruchstücke aus Erzählungen und Erinnerungen und neue Fragen, die sich stellen.
Was bleibt?
Und: Was nehme ich selbst mit auf meinen Weg?
REPRODUKTION
Kurzfilm
03:34 Min
Stadtsteinach, 2017
Konzept/Idee: Janna Heiß
Sound: Janna Heiß
"...Denn gegangen ist der Moment
und mit ihm alles, was den Raum erfüllte.
Es ist eine Lüge
Dir
- als Betrachter -
etwas zu zeigen, was so nicht gezeigt werden kann.
Es ist eine blinde, tote Kopie.
Verfälscht in ihrem Ausdruck, in ihrem Blickwinkel, in ihrer Art und Weise, wie wir versuchen, etwas so darzustellen, wie wir es sehen.
Gesehen haben?
Viel erzählen kann ich dir. Viel vormachen und zeigen.
Mein Moment wird nie zu deinem werden.“
HINTERGRUND
Hintergrund der Arbeit „Reproduktion“ ist der Gedanke, eine einzelne Situation für mindestens 20 Sekunden einzufangen.
Die zeitliche Dauer war zunächst willkürlich, sollte aber die Dauer eines normalen „Blickes“ deutlich überdauern.
Mit dem „Blick“ war vor allem der Blickkontakt zweier Menschen gemeint, der ab einer gewissen Zeitspanne als unangenehm und befremdlich oder aber auch störend empfunden wurde oder aber eine gewisse Anstrengung erforderte, um „bei der Sache zu bleiben“ und nicht abzuschweifen. Meine Aufnahmen zeigten mir selbst jedoch auch, dass das zwanzigsekündige Halten der Kamera gerichtet auf nur einen einzigen fokussierten Punkt und das gleichzeitige Blicken auf die Kamera und auf die sich nicht verändernde Situation für mich selbst anstrengend war und „Ausdauer“ fragte.
Ich fing den Moment ein, bewusst, dass der Moment bald nicht mehr so sein würde.
Es war die Gewissheit, dass nach dem Tod meiner Großmutter nicht nur sie gegangen war, sondern mit ihr auch ihr Geist und der Raum um sie.
Das Einfangen der Situation wurde zu einem meditativen Handeln:
Moment, Kamera, Bild - mit dem einzigen Ziel, dem Betrachter einen Augenblick zu vermitteln, der in diesem Moment aufgenommen wurde. Dieser Moment, den der Betrachter dann jedoch sah, war gleichzeitig schon Vergangenheit und nicht wiederholbar.
Das Durchstreifen dieser Momente, der „Stillleben“, geben dem Betrachter meist die Möglichkeit zu verweilen und anzuhalten. Für eine kurze Zeit kann dieser eintauchen in den Moment und sich auf die Umgebung einlassen, die Leere des Raumes fühlen und gleichzeitig auch die Anwesenheit von etwas spüren, das er nicht kennt.
Das Projekt umfasst zwei verschiedene Aspekte:
Auf der einen Seite soll ein Assoziationsprozess, ein „Kennenlernen“ stattfinden, welches dem Betrachter ermöglicht sich auf eine fremde Situation und Sichtweise einzulassen. Auf der anderen Seite findet dies nicht statt und ist auch nicht gewollt. Der Betrachter wird und ist Teil des Kunstwerkes und Teil des Ganzen. Das Werk täuscht den Betrachter in seinem zeitlichen Ablauf, mit den gezeigten Bildern und Perspektiven, lässt etwas erahnen und Räumlichkeiten für etwas halten, was in Wirklichkeit anders war: Eine Manipulation und Reproduktion von Wirklichkeit, die dazu verleitet, sich in die Situation einzufühlen und vertraut zu machen.
Wie Walter Benjamin beschreibt, will der Mensch „die Dinge sich räumlich und menschlich ‚näherbringen‘ - ist ein genau so leidenschaftliches Anliegen der gegenwärtigen Massen wie es ihre Tendenz einer Überwindung des Einmaligen jeder Gegebenheit durch die Aufnahme von deren Reproduktion ist.“ (aus: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Walter Benjamin)
Die Arbeit will den Menschen in seiner Eigenart zu konsumieren greifen, ihn mit den Bildern aus dem Leben eines anderen versorgen und einnehmen. Am Ende jedoch muss der Betrachter feststellen, dass das Gesehene doch nur die Kopie eines Augenblicks war, der nicht in seiner Gegenwart und auch nicht in seinem Alltag stattgefunden hatte.
Der fotographische Film „Reproduktion“ arbeitet mit dem Assoziationsprozess des Betrachters, der gerade genügend Zeit findet, sich in eine Situation hineinzudenken, ehe sie sich schon wieder ändert. Gleichzeitig spielt die gegensätzliche Position den Betrachter aus, da dieser nie ganz in den Handlungsablauf des Geschehens eintauchen kann: Der Ablauf fand außerhalb seines Wirkungsfeldes statt, an einem Ort und in einer Situation, welcher der Betrachter nicht beigewohnt hatte. Die Arbeit „Reproduktion“ spielt mit dem Faktum der Reproduktion und gleichzeitig der Wahrnehmung des Menschen, der sich einfühlt in eine Situation und dann gleichzeitig feststellen muss, dass dies nicht die wahre, echte Situation, sondern reine, womöglich auch falsche Reproduktion eines Moments ist, welchen er nicht erlebte. Die Arbeit möchte zum einen Nähe vermitteln, kann dem Betrachter jedoch nicht nahe kommen, bzw. kann der Betrachter dem Film nicht nahe genug kommen, um völlig eins zu werden mit der Situation, da er außenstehend ist und bleibt. Die gefühlte Aura, von der auch Walter Benjamin schreibt, bleibt nur für den vorbehalten, der die Situation mit dem richtigen und inneren Auge sehen konnte. Und selbst dann, beim richtigen, tiefen Sehen und Verstehen ist es doch nicht der wahre, echte Augenblick, den man sich verinnerlichen und mitnehmen möchte: „Tagtäglich macht sich unabweisbar das Bedürfnis geltend, des Gegenstands aus nächster Nähe im Bild, vielmehr im Abbild, in der Reproduktion habhaft zu werden.“ (aus: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Walter Benjamin)
Der Mensch möchte sich zu eigen machen, was er nicht besitzen kann:
Den Moment, die Zeit und das Gefühl. Und er tut dies mit der Reproduktion und aus Angst vor Vergänglichkeit.
STILLES GESPRÄCH
Kurzfilm
08:05 Min
Kapourchal, Iran | April 2019 - April 2020
Konzept/Idee: Janna Heiß
Sound: Janna Heiß
H I N T E R G R U N D
Wie spricht man mit jemandem, der nicht mehr da ist?
Und wie spricht man mit ihm, wenn man ihn nie kannte?
Kann so ein Gespräch überhaupt stattfinden?
Worüber redet man, wenn die Realitäten zeitversetzt sind?
Wie stellt man sich die Person vor? Wie weiß man, wie sie ist - oder vielmehr war?
„Stilles Gespräch“ ist eine Fiktion, die auf Ausblicken beruht, die der Betrachter für sich in Momenten der Gesprächs- und Handlungsstille eingefangen hat und die ihn bruchstückhaft wahrnehmen lassen, wie das Leben des Menschen war, der hier vorher lebte, den der Betrachter aber nie kennenlernte. Erinnerungen anderer Menschen lassen den Ort und vor allem den Charakter des Menschen aufleben, jedoch für den Betrachter als immerwährende fiktive Figur erscheinen, mit der er im Stillen – auf Metaebene sozusagen – versucht, ein Gespräch zu führen. Das fiktive Gespräch findet auf Gedankenebene in verschiedenen Sprachen statt, die stellvertretend für die zwei im Raum befindlichen Personen stehen und somit die Unüberwindbarkeit der zeitlichen Ebene verdeutlicht.
Die Filmaufnahmen stammen aus dem Haus der verstorbenen Großmutter meines Partners am kaspischen Meer im Iran.
- (ohne Titel)
Kurzfilm
06:20 Min
Stadtsteinach, Berlin 2017 | 2018
Konzept/Idee: Janna Heiß
Sound: „Construction“ von Nicolas Jaar (Pomegranates), Janna Heiß
„To be drawn into the picture – visually feeling something”
“To project the real world through natural components”
“The notion of order in life is an abstract one”
-
“Do you really think
that mankind
can develop a UNIVERSAL CONCEPT
a model,
so to speak
of ABSOLUTE LAW
of ABSOULTE TRUTH?”
-
SYMBOLISM
-
but ART
should be left to interpretation
INTUITION.
Über Andrei Tarkovsky - Poetic Harmony |
The Cinema Cartography
H I N T E R G R U N D
Jetzt und Vorher vermischen sich zu einem Traum aus Realität und Utopie.
Im Traum erfinde ich die Zeit und den Raum (um mich) neu, existiert keine Zeit und der Raum ist losgelöst von Realität und Boden.
Der Zugang zur Welt wird ein Sinnbild der Schönheit und Melancholie.
Ich laufe auf Watte in der Stille. Ich begegne denen, die nicht mehr sind.
Gedanken werden zu realen Bildern, Bilder werden zu Geschichten und Geschichten zu Erzählungen, die für jeden anders klingen.
Die Sprache erfindet sich neu im Bild und das Bild braucht keine Sprache.
Es ist ein Widerhall von Momenten der eigenen Geschichte, die sich neu zusammensetzt und doch nicht existiert.
Das Bild, das wir sehen, sehen wir mit den Augen unseres ganzen Lebens. Es existiert nur auf der Grundlage der eigenen
Wahrnehmung, der eigenen Erfahrung, der eigenen Erinnerung und der eigenen Identität.
Wir erfahren uns und unsere Identität durch das Bild vor unserem Auge, wir sprechen durch das Bild, das wir selbst sind.
Ist der Mensch eine Einbildung, eine erfundene Utopie einer nichtexistenten Welt und unkontrollierten Zeit?
„Making the element feel real makes it feel relevant“
Die Arbeit entstand 2017 als späte Antwort auf den Tod meiner Großmutter und als Sinnbild meiner inneren Gefühls- und Gedankenwelt.
memoria
Kurzfilm
06:25 Min
Stadtsteinach, Tempelhof
Juni 2018- Juni 2020
Konzept/Idee: Janna Heiß
Sound: Janna Heiß
Abwesender Moment
Anwesende Erinnerung
Vergangenheit zurückgeholt
Augenblick der Zusammenkunft
Trennen in der Gegenwart
Wohin
In Zukunft
H I N T E R G R U N D
Ich kehre an den Ort meiner Kindheit zurück.
Ich lebe dort, wohin es mich gezogen hat.
Ich komme und gehe und doch komme ich nicht an.
Vergangenheit und Gegenwart vermischen sich zu Bildern ohne Zusammenhang.
Der Traum aus Realität und Utopie wird neu gedacht, neu gesetzt.
Das eigene Sein verschwimmt in einem Gedankenmeer aus Bildern von früher, heute und morgen.
Der Spaziergang als Gang in die Gedankenwelt, der Blick als schleierhafte Überlagerung von Wirklichkeit(en).
Was ist wahr und was ist falsch?
Wo bin ich und wohin gehe ich?
Wer bin ich?
Ich selbst
In den Spiegel blickend
auf mich selbst
in mich selbst
sehe ich mich selbst
sehe ich
durch mich hindurch
sehe ich dich
nicht
Mein Bild
verschwommen trotz der Schärfe
unscharf
Zu oft verwandelt, verbessert, verändert
zu oft versteckt
dass ich nicht mehr weiß
wer mich anblickt
im Spiegel
wer auf mich blickt.
Ich halte eine Hand
nicht deine
meine eigene -
In meiner eigenen Hand
halte mich selbst
an mir fest,
damit ich mich nicht verliere.
Ich umklammere mich selbst
suche nach Halt
in der Umarmung
die es nicht gibt.
Ich beiße mir auf die Zunge
halte zurück
den Schrei
der mir auf den Lippen liegt
lautlos
Ich bin
Eine Nachahmung
eine erfundene Kopie
Ich suche nach mir
Ich bin
verloren
gegangen
allein
im weiten Meer der Unendlichkeit
WAS WAR, WAS NICHT MEHR IST
(work in progress)
Stadtsteinach, Obtober 2020-jetzt
Konzept/Idee: Janna Heiß
Sound: Janna Heiß
K O N Z E P T
Stadtflucht, Landsterben, verlassene Orte, volle Städte.
Diese Entwicklungen betreffen viele kleine Ortschaften und Städtchen, so auch meinen Heimatort Stadtsteinach.
Die Blütezeit dieser kleinen Stadt kenne ich meist nur aus Geschichten und wenigen Bildern, merke jedoch auch bereits in meinen jungen
Jahren, dass diese kleine „Stadt“ immer leerer, dass der Geist ausgehaucht wird, dass das Leben verschwindet und dass viele einst schöne
Orte an vielen Stellen vernachlässigt werden.
Das Leben, wie es war, gilt es in Erinnerung zu rufen mit der dokumentarischen Arbeit „Was war, was nicht mehr ist“.
Geplant sind Interviews, Gespräche, Begegnungen mit Menschen, die sich noch an das erinnern, was früher in den Straßen und Gassen der
Stadt geschah oder welche Geschichten sich in den vielen Gasthöfen, Kneipen und Cafés abspielten.
Dem gegenüber gestellt wird das heutige Bild des Ortes.
Auch hier beginnt die Arbeit mit der Suche nach den Bildern aus „alten und neuen“ Zeiten - die Arbeit mit der eigenen Herkunft, die Arbeit mit
der eigenen Biografie wird auf eine neue Ebene gestellt und erreicht einen neuen, tieferen Einblick.